Die 1992/93 entstandenen Impulse sind ein formal sehr vielfältiges, reiches, auch emotional von starken Gegensätzen geprägtes Stück. Gebilde heftiger, leidenschaftlicher Natur wechseln mit solchen stillen, versonnenen, elegischen Ausdrucks. Manchmal sind sie einander schroff unvermittelt gegenübergestellt. Daneben gibt es – zu meist dynamisch betonte – Gesten, die einen Prozess initiieren, der kontinuierlich zu neuen, veränderten Situationen führt.
Insgesamt ist das Stück in vier Abschnitte gegliedert. Nur der dritte ist durch eine lange Generalpause vom Vorhergehenden getrennt, die übrigen Abschnitte sind ineinander verflochten. Es ist so vielgliedrig, dass es sich einer Beschreibung im Einzelnen widersetzt. Um dennoch einen Einblick in die Art des Geschehens zu geben, möchte ich zwei Abschnitte herausgreifen:
Der großformal gesehen zweite Teil besteht eigentlich aus zwei unterschiedlichen Stücken. Im ersten, schnelleren, bewegen sich zumeist vier Instrumente vor dem Hintergrund einer einfachen Linie der Violen. Jedes der vier Instrumente bewegt sich in gleichlangen Dauern, sie sind aber in den einzelnen Instrumenten verschieden. Es wird also gleichzeitig in verschiedenen Geschwindigkeiten gespielt, das Metrum, in dem notiert wurde, verschleiert. Fagott und Violen geben am Anfang gelegentlich den Blick auf das Grundmetrum frei. Der eigenartig gespaltene Klang mag vielleicht anfangs befremden, für mich hat er viel Charakter. Im zweiten, ruhigeren „Stück“ führt die Oboe, sie wird durch Figuren von Harfe, Vibraphon, Marimba, später auch Crotales und Glocken gleichsam begleitet. Die beiden „Stücke“ wurden nun in kleine Abschnitte geteilt und so verschnitten, dass immer ein Abschnitt aus dem zweiten Stück einem Abschnitt aus dem ersten folgt. Zwei Achtelakkorde der Bläser signalisieren jeweils den Beginn einer Sektion aus dem ruhigeren zweiten Stück, ein pizzicato-Akkord der Streicher den eines Abschnitts aus dem schnelleren Teil. Das Ergebnis des Verschneidens von in sich völlig statischen Strukturen ist bei aller Komplexität von – wie ich hoffe – großer Klarheit.
Im vierten, letzten Abschnitt des Gesamtwerks gibt es einen relativ einfachen Prozess. Sechzehn gehaltene Bläserakkorde, die jeweils durch Pausen voneinander getrennt sind, bilden eine der Grundlagen. Der erste erklingt im dreifachen pianissimo. Jeder weitere ist etwas länger und etwas stärker als der vorhergehende. Der letzte ist sehr lang im vielfachen fortissimo. Auch die Pausen werden länger, allerdings nicht im gleichen Ausmaß wie die Bläserakkorde. Sie gehören dem Schlagzeug. Umgekehrt wie die Bläser beginnen sie im dreifachen fortissimo und enden im piano, wobei auch die Dichte abnimmt und der Klang am Schluss heller wird. Eine dritte Schicht bilden die Streicher, die die meiste Zeit im piano eine sul-ponticello-Tremolobewegung ausführen, wobei sie am Anfang in den Pausen zwischen den Bläserakkorden vom fortissimo des Schlagzeugs zugedeckt werden und erst gegen Ende mit einem crescendo in eine allmählich breiter werdende Bewegung übergehen.
Das insgesamt komplizierte Reihengeschehen ist zwar jeweils für eine Ebene der musikalischen Gestaltung konstitutiv wichtig, ausführliche Erklärungen dazu sind aber nicht geeignet, die Qualität des Hörerlebnisses zu beeinflussen.
Das Stück ist im Auftrag der Wiener Philharmoniker entstanden, die es am 13. April 1996 in einem ihrer Abonnementkonzerte unter der Leitung von André Previn uraufgeführt haben.
Friedrich Cerha