Gesang und Instrumentalensemble
1. Heans inas au
I. Teil
2. Bei da bost
3. Waun i da keisa gwesn waa
4. Da himme fia uns weana
5. Waasd no
6. Di sun is ma zhaas
7. Im grund bin i a guada loodsch
8. I hoid di
9. Waunsd amoi
10. An lipizana
11. De darm san in de katakombm
12. Intermezzo: Marsch
II. Teil
13. A leich aum otagringa friidhof
14. I hob a wax heaz
15. Waun i sinia
16. Aufschbringa deafst ned
17. Do sans maschiad
18. Glauma des
19. Gee nua eine
20. A glosaug miasd ma haum
21. De retung und de feiawea
22. Intermezzo: Marsch
III. Teil
23. Daas ma laud
24. Di daunau gibds
25. Waunsda fua augn hoidsd
26. Schee woans jo ned
27. Daas ma oft de foam wexln
28. Waun i a beefleisch iis
29. De fassldiwla
30. Des ringlgschbü
31. Beredn dan sas
32. Di schlechte zeid
IV. Teil
33. De ringldaum
34. Fois se a fremda san
35. I woa scho
36. De gmiadlichkeit
37. Intermezzo: Galopp
38. Wauma uns min dreg
39. Intermezzo: Polka
40. I sog da
41. Wauni singa kent
42. Zeascht schtingn de kaneu
43. Mi kenan olle
44. Intermezzo
45. Wia ma seinazeid
46. A fiatl
47. Fria hob i glaubt
48. Da wagna jaurek
49. Waun an fiamling
Als ganz junger Mensch habe ich vor dem Krieg in Hernalser Vorstadtetablissements als zweiter Geiger bei Akademien, kleinen Bällen, Hochzeiten oder Festessen Wiener Volksmusik gespielt. Als ich mich Anfang der Achtzigerjahre mit außereuropäischer Folklore zu beschäftigen begann und gleichzeitig wieder einmal zu meinem großen Vergnügen in den Wiener Sprüchen meines Freundes Ernst Kein blätterte, fiel mir auf die Seele, dass ich bislang als Komponist die Wiener Volksmusik, die ich von Kindesbeinen an in mir herumtrage, völlig ignoriert habe. Dies sollte sich nun ändern und so entstand, teilweise neben den Endarbeiten an meiner Oper Baal, die I. Keintate
Der Titel ist ein Amalgam aus „Kantate“, z. B. etwas zum Singen, und dem Namen des Textautors Ernst Kein, dessen Bänden „Wiener Panoptikum“ und „Wiener Grottenbahn“ die vertonten Sprüche entnommen sind. Vor der Uraufführung im Metropol, einem den seinerzeit von J. Strauß frequentierten Vorstadt-“Etablissement“ ähnlichen Lokal, sagte ich einem mich aus ganz anderen Zusammenhängen kennenden Publikum: „Nach einer Probe der Keintate bin ich gefragt worden, ob ich eigentlich das, was ich hier tue, ernst nehme. Die Frage hat mich überrascht und verdient eine ernste Antwort. Ich wollte mich nicht lustig machen über die Modelle der Volksmusik, ich wollte sie nicht als Aufputz, nicht als Gag benutzen, sondern ich bin von ihnen ausgegangen und habe sie angenommen, um durch Stilisierung, durch Verfremdung dann wieder zu einer Distanz zu kommen, häufig zu einer ironischen Distanz, und auch mitunter, um hinter die Modelle zu leuchten. Man sollte eine solche Gesinnung nicht mit einer Naivität verwechseln, die nicht weiß, was Klischee ist“. Ich liege da auf einer Linie mit Ernst Kein, der den Leuten im lutherischen Sinn „aufs Maul schaut“ und Phrasen des Dialektjargons zunächst einmal an nimmt, um sie dann durch Überdrehung zu pointieren. In diesem „wörtlichen“ Annehmen und Überzeichnen der Realität liegt der wesentliche Unterschied zwischen dieser Literatur und etwa der H. C. Artmanns, dessen Dichtungen im Dialekt aus dem Wiener Volksmilieu Poetisches destillieren.
Die musikalischen Modelle nehmen bekannte Melodien zitathaft auf, so z. B. Anspielungen auf „O du lieber Augustin“ und „O du mein Österreich“ in Nr. 4 („Der Himmel für uns Wiener...“) oder „Wien, Wien nur du allein“ in Nr. 34 („Falls Sie ein Fremder sind...“), häufiger aber wird nur der charakteristische Tonfall der Wiener Volksmusik beim Wort genommen und seine Elemente beziehungsreich verwoben. Die Besetzung: 2 Klarinetten, 2 Hörner, Streichquintett, Knopfharmonika und Schlagzeug bringt klanglich reiche Assoziationen an eine „Heurigenpartie“ ein.
Dass im letzten Abschnitt die Elemente immer mehr verfremdet werden, Auflösungserscheinungen überhand nehmen und Delirium, Fatalismus und Tod dominieren – uralte Themen in der Volkskunst und in der Kunst aus Wien–, macht das Stück in erhöhtem Maß zum Dokument einer wesentlichen Schicht in der Mentalität dieser Stadt.
Zur I. Keintate existieren nicht nur Diapositive mit einer hochdeutschen und einer englischen Übersetzung (letztere durch Ernst Krenek), sondern auch eine Reihe von Dias nach Fotos von Franz Hubmann, der die berühmtesten, künstlerisch hochqualifiziertesten Bildbände über Wien geschaffen hat. Die Nummern der Keintate werden auf diese Weise lückenlos von sehr ausdrucksstarken, poetischen oder auch sarkastischen Bildern von Wiener Typen und Schauplätzen begleitet und das Zusammenwirken von Musik und Bild war bei bisherigen Aufführungen im Ausland außerordentlich geeignet, ein realistisches Wien zu präsentieren, das gleichwohl das an ihm Anziehende beibehält.
Friedrich Cerha