Streichsextett
UA: Köln, Philharmonie · Arditti-Quartet · Thomas Kakuska, Viola · Valtenin Erben, Violoncello
Ich habe 1994 wiederholt den ganzen Hölderlin gelesen und mir zahlreiche aus den Versen gewonnene Sprachmelodien notiert, die ich, weil ich ja die Texte nie singen lassen wollte, in zunehmendem Maße musikalisch stilisierte. Als ich den Auftrag zu einem Streichsextett bekam, eine Besetzung, die meinen klanglichen Vorstellungen damals sehr entsprach, ging ich daran, aus meinen Sprachgefällen den musikalischen Satz zu entwickeln. Das Verfahren erwies sich bald als zu eng und das Ergebnis war mir zu kurzatmig. Also habe ich auf meine Sprachmelodien wieder zurückgegriffen, sie aber in einer sehr freien, in hohem Maß stilisierenden Weise benutzt - ausgenommen im letzten Satz, der in seiner monomanen musikalischen Zuständlichkeit vom Tonfall des Textes ganz unabhängig ist.
Am Ende stellte sich mir die nicht leicht zu beantwortende Frage, ob es von Nutzen ist, ob es Sinn ergibt, dem Zuhörer und auch dem ausführenden Musiker die Texte mitzuteilen, von denen ich ausgegangen bin, zumal es sich ja in keiner Weise um Programmusik handelt. Ich habe es getan, weil ich sie für einen Hinweis auf die emotionelle Grundhaltung der einzelnen Sätze sehe und dann auch aus Gründen der Ehrlichkeit. Ich wollte eine so wichtige Quelle meiner Arbeit nicht geheimhalten.
Friedrich Cerha